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Die schwersten Wege
werden alleine gegangen,
die Enttäuschung, der Verlust,
das Opfer
sind einsam.
Selbst der Tote, der jedem Ruf antwortet
und sich keiner Bitte versagt,
steht uns nicht bei
und sieht zu,
ob wir es vermögen.
Die Hände der Lebenden, die sich ausstrecken,
ohne uns zu erreichen,
sind wie die Äste der Bäume im Winter.
Alle Vögel schweigen.
Man hört nur den eigenen Schritt
und den Schritt, den der Fuss
noch nicht gegangen ist, aber gehen wird.
Stehenbleiben und sich Umdrehn
hilft nicht. Es muss
gegangen sein.

Nimm eine Kerze in die Hand,
wie in den Katakomben,
das kleine Licht atmet kaum.
Und doch, wenn du lange gegangen bist,
bleibt das Wunder nicht aus,
weil das Wunder immer geschieht
und weil wir ohne die Gnade
nicht leben können:
die Kerze wird hell vom freien Atem des Tags,
du bläst sie lächelnd aus,
wenn du in die Sonne trittst
und unter den blühenden Gärten
die Stadt vor dir liegt
und in deinem Hause
dir der Tisch weiss gedeckt ist.
Und die verlierbaren Lebenden
und die unverlierbaren Toten
dir das Brot brechen und den Wein reichen –
und du ihre Stimme wieder hörst
ganz nahe bei deinem Herzen.

                                                       Hilde Domin